Microfluidic Chips

Forschungsthema



Am Institut für Mikrostrukturtechnik des Karlsruher Instituts für Technologie werden seit vielen Jahren polymerbasierte Mikrofluidiksysteme für analytische, biologische und medizinische Anwendungen entwickelt. Diese Systeme bestehen in der Regel aus zwei mikrostrukturierten Gehäusekammern, die von einer porösen Membran getrennt sind. Die Kammern werden durch Heißprägung in bioverträgliche Polymere wie Polycarbonat (PC), Polyethylenterephthalat (PET) oder zyklische Olefin Kopolymere (COC) gefertigt. Für die Assemblierung werden verschiedene Fertigungstechniken wie spezielle Klebetechniken, thermisches Bonden oder Ultraschallschweißen eingesetzt.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern aus Biologie oder Medizin wurden solche Systeme zur Untersuchung der Differenzierung von tierischen Stammzellen, die Wanderung von Krebszellen in einem künstlichen Blutgefäß oder für eine Simulation der Blut-Hirn-Schranke eingesetzt. In Zusammenarbeit mit dem Botanischen Institut des KIT wurde ein mikrofluidischer Bioreaktor für Pflanzenzellen entwickelt, um damit Zellen mit verschiedenen metabolischen Leistungen in modularer Weise kombinieren und so neue Wirkstoffe erzeugen zu können.

mikrofluidische Bioreaktor mit Anschlüssen
Abb. 1: Der mikrofluidische Bioreaktor mit Anschlüssen

Was der Pflanzenchip kann
In einer in der Fachzeitschrift Protoplasma veröffentlichten Arbeit (https://link.springer.com/article/10.1007/s00709-021-01650-0) wurde nun dargestellt, wofür dieser modulare Pflanzenchip eingesetzt werden kann. Werden Pflanzenzellen in hoher Verdünnung kultiviert, teilen sie sich nicht. Mithilfe des Chips konnte gezeigt werden, dass diese „einsamen“ Zellen sich wieder teilen, wenn sie „stromab“ von einem Chip gehalten werden, in dem sich viele Zellen tummeln. Zellen können also wahrnehmen, wie viele andere Zellen in ihrer Umgebung sind (sogenanntes quorum sensing).

quorum sensing in Pflanzenzellen
Abb. 2: Quorum sensing in Pflanzenzellen


Derzeit werden schon erste molekulare Kandidaten für dieses „Sozialhormon“ untersucht. In einer zweiten Anwendung wurden unterschiedliche Zell-Linien des Madagassischen Immergrüns (Catharanthus roseus) über den Chip kombiniert. Diese Pflanze erzeugt den begehrten Anti-Tumorwirkstoff Vincristin, freilich in winzigen Mengen (für ein 1 mg braucht man 200 kg Blattmaterial). Seit mehr als einem halben Jahrhundert versucht man vergeblich, diesen Stoff in Zellkultur zu erzeugen. Dieser sehr komplexe Stoffwechselweg besteht aus zwei sich gegenseitig hemmenden Zweigen, die dann zu der wichtigen Vorstufe Vindolin zusammengeführt werden müssen. In der Pflanze wird dieser Gegensatz so umschifft, dass jeder Zweig in einem eigenen Gewebstyp aktiv ist. Dies konnte nun erfolgreich im Chip nachgestellt werden. Während die eine Zell-Linie nur Tabersonin erzeugt, findet man in der anderen Linie nur Catharantin.

Durch „metabolisches LEGO“ konnte mithilfe des Chips die Teamarbeit nachgestellt werden und erstmals in Zellkultur Vindolin erzeugt werden.

Metabolisches LEGO mit Pflanzenzellen
Abb. 3: Metabolisches LEGO mit Pflanzenzellen


Die dritte Anwendung geht noch einen Schritt weiter – hier wird ein kleines Ökosystem auf dem Chip nachgestellt, indem Pflanzen- und Pilzzellen gemeinsam kultiviert werden. Es handelt sich um Pilze, die im Holz von Weinstöcken leben und seit einigen Jahren in Antwort auf die trockenen und heißen Sommer plötzlich damit beginnen, Toxine zu bilden, die den Zusammenbruch der Rebstöcke bewirken. Die Bildung dieser Phytotoxine konnte nun ebenfalls mit dem Chip nachgestellt werden. Auch hier sind so schon erste Toxine molekular aufgeklärt worden.

Phytotoxine aus Pilzen
Abb. 4: Phytotoxine aus Pilzen




Anwendungsmöglichkeiten des Biochips

Video modularer Pflanzenreaktor




Literaturquellen

Finkbeiner T, Manz C, Raorane ML, Metzger C, Schmidt-Speicher L, Shen N, Ahrens R, Maisch J, Nick P, Guber AE. A modular microfluidic bioreactor to investigate plant cell-cell interactions. Protoplasma. 2021 May 2. doi: 10.1007/s00709-021-01650-0.

Maisch J, Kreppenhofer K, Büchler S, Merle C, Sobich S, Luy B, Ahrens R, Guber A, Nick P (2016) Time-resolved NMR metabolomics of plant cells based on a microfluidic chip. J Plant Physiol 200, 28-34





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